Um auch zu Hause nicht auf einen Vollröhrensound verzichten zu müssen, habe ich in der Vergangenheit häufig und gerne Amps eingesetzt, die im Leistungsbereich weit unterhalb der 100 Watt-Grenze liegen. Gute Erfahrungen habe ich mit einem Ashdown CTM 15 oder einem Ashdown LB 30 sammeln können. Gerade der Little Bastard kann mit einem überzeugenden Röhrensound glänzen, den so mancher Leistungsprotz auch nicht besser hinbekommt.
Dass es sogar noch "kleiner" geht, zeigen z.B. der SWR Interstellar Overdrive oder der von mir gern eingesetzte Hughes & Kettner BassMaster. Beide leisten zwar nur knappe 5 Watt, klingen (natürlich im begrenzten Rahmen) erstaunlich fett und rund.
Ein weiterer Kandidat dieser Zwergen-Amps ist der Reußenzehn Bass Studio Amplifier. Auch dieser weiß zu überzeugen.
Der 15 Watt starke Amp präsentiert sich in einem eher ungewöhnlichem Format. Für das Chassis wurde dickes verwindungssteifes Blech verwendet. Ein stabiler Drahtkäfig schützt die Röhren und die Trafos, ermöglicht aber zur Freude von Röhrenfans gleichzeitig den Blick auf die glühenden Glaskolben. Dicke Gummifüße verleihen dem Leichtgewicht einen sicheren Stand, ein Tragegriff erleichtert den Transport.
Bedient wird der Amp-Zwerg gerade mal mit drei vorhandenen Potis. Gain regelt die Eingangsempfindlichkeit, Master die Gesamtlautstärke und ein Poti für die Höhenblende. Zum Anschluss des Basses steht eine Klinkenbuchse vorderseitig bereit.
Die Rückseite bietet ein paar spannende Details. Gleich zwei trafosymmetrierte Line Outs können genutzt werden, um den Amp z.B. an einer Endstufe oder im Studio zu betreiben. Ein Line Out wird hinter der Klangregelung, jedoch vor der Endstufe und dem Master abgegriffen. Der zweite Line Out liefert den "Vollröhrensound" pur, dieser wird hinter dem Ausgangsübertrager und hinter dem Master abgegriffen. Nachteil: Das Signal ist abhängig von der Stellung des Master-Potis. Jedoch hat Herr Reußenzehn auch dies bedacht und diesem Ausgang einen weiteren Pegelsteller verordnet.
Der Bass Studio Amplifier kann arbeitet mit einer ECC81 und einer ECC83 in der Vorstufe und einer 6550 in der Endstufe im Class-A Betrieb. Die Lastimpedanzen sind mit 2 bis 16 Ohm weit gefasst, so dass bei der Wahl der anzuschließenden Boxen nahezu alle Wünsche erfüllt werden können. Ein wichtiges Detail, denn die knappen 15 Watt des Amps können mit steigender Membranfläche richtig laut werden.
Anders als bei vielen anderen Vollröhren-Amps kann der Reußenzehn jedoch auch betrieben werden, ohne dass eine Box angeschlossen wird. In diesem Falle wird der Speaker-Ausgang auf einen Lastwiderstand geschaltet, so dass ein Preamp-Betrieb ohne Schäden am Amp möglich ist.
Zum testen des Amps habe ich verschiedene Boxen eingesetzt. So habe ich verschiedene Boxen mit 2x10, 4x10, 1x15 und 1x18 angeschlossen und war jedes mal erstaunt darüber, wie druckvoll selbst 15 Watt klingen können. Wie bei einem "großen" Vollröhrenamp werden ein ordentliches Bassfundament und fein aufgelöste MItten und Höhen geboten.
Die im cleanen Bereich erreichbare Lautstärke z.B. an einer Box mit 4x10er Bestückung reicht völlig aus, um akustische Sets, nicht allzu laute Proben oder gar leise Kneipengigs zu beschallen. Eine Kombination aus einer 2x10 und einer 1x15er Box fand ich besonders geeignet, um einen vollen, satten und fein aufgelösten Sound zu erhalten.
Wird der Amp leistungsmäßiger etwas mehr gefordert, wird es a) natürlich etwas lauter und b) etwas crisper im Sound. Ich bin kein großer Fan von angezerrten Sounds, jedoch gefallen mir die Overdrive-Sounds des Reußenzehn ganz gut. Sie klingen nicht künstlich aufgesetzt sondern weich und harmonisch. So richtig hart-kratzig werden sie selbst in aberwitzigen Einstellungen nicht, jedoch geht dies dann deutlich zu Lasten des Duchsetzungsvermögens.
Die (leider etwas unglücklich gleich bezeichneten) Line Outs bieten einen erstklassigen Sound. An beiden Ausgängen liegt ein deutlich "gefärbter" Sound an, der hinter dem AÜ abgegriffene Line Out klingt "dick" und butterweich...
Dass der Reußenzehn Bass Studio Amplifier keine große Verbreitung findet, mag zum einem daran liegen, dass er zur Standalone-Nutzung nicht genügend Power bietet und mit knappen 850 € auch nicht gerade "günstig" ist.
Der Name des Amps verrät es schon, dass der Haupteinsatzzweck eher in Richtung Studio ausgelegt ist, wo dieser Amp mit seinen Line Outs wunderbare Röhrensounds bietet.
Man sollte die 15 Watt des Winzlings nicht unterschätzen, denn mit den richtigen Boxen kann er richtig laut werden und klingt dazu auch noch richtig amtlich.