Als bekennender Vollröhren-Spieler konnte ich natürlich nicht an einem
recht günstig angebotenen Markbass Classic 300 vorbeigehen, ohne ihn mitzunehmen. Markbass ist ja eher für leichtgewichtige Amps im Biene Maja Kostüm bekannt, den Classic 300 dürften die
wenigsten kennen. Dieser Amp wurde auch nur in einer recht kurzen Zeit hergestellt und konnte sich in einer Zeit, in der die s.g. Micro-Heads immer beliebter wurden, nicht wirklich durchsetzen.
Na ja, der Verkaufspreis irgendwo bei 3.500 Euro dürfte ebenfalls dazu beigetragen haben, dass dieser Amp nicht gerade reißenden Absatz fand und nach ca. 4 Jahren Produktionszeit wieder
eingestampft wurde.
Der Amp macht verarbeitungstechnisch gesehen einen sehr guten Eindruck.
Das Holzgehäuse ist mit einem strapazierfähigen Tolex überzogen, der Griff lädt zum Transport ein. Die Potis laufen butterweich mit angenehmen Widerstand.
Auffallend sind die etwas abweichenden äußeren Abmaße des Amps. Die
meisten Tops bewegen sich in der Breite irgendwo bei 65 cm, der Classic 300 hingegen kommt mit ´nem knappen halben Meter daher. Hinzu kommt, dass der Amp mit gerade mal 22 kg eher ein
Leichtgewicht ist. Viele seiner Kollegen finden sich in der 30 kg + Abteilung wieder. Hier wollte Markbass wohl seiner "Linie" eher leichtgewichtiger Amps aller Leistungsklassen treu bleiben und
verwendete für das Metall-Chassis des Amps Aluminium-Blech statt wie sonst üblich Stahlblech. Zur weiteren Gewichtsersparnis wurden ein Ringkerntrafo zur Stromversorgung und ein
Schnittbandkerntrafo als Ausgangsübertrager verwendet. Beide Trafos wurden nicht wie üblich auf dem Amp-Chassis platziert, sondern aus Stabilitätsgründen wurden sie am Holzgehäuse des Amps
befestigt. Das erklärt die geringeren Breiten-Maße.
Ich mag Amps, die einen mir gefallenden Grundton bieten und nicht durch
-zig Regler und x-Band EQs zur Frickelei am Amp verleiten. Hier punktet der Classic 300 schon mal. Die Front wirkt aufgeräumt, lediglich ein 4-Band Equalizer ist zur Verfeinerung des Sounds
vorhanden.
Im Einzelnen:
Zum Anschluss eines Basses steht ein Klinkenanschluss zur Verfügung. Es
wird nicht zwischen aktiven und passiven Bässen unterschieden, die Eingangsempfindlichkeit wird mit Gain eingestellt. Eine Clip-LED zeigt an, wenn das Eingangssignal zu hoch gewählt wurde.
Der aktive 4-Band Equalizer erlaubt eine 12dB Anhebung/Absenkung der
Frequenzbänder LOW (Centerfrequenz 80 Hz), MID LOW (Centerfrequenz 400 Hz), MID High (Centerfrequenz 800 Hz) und HIGH (Centerfrequenz 3 kHz).
LINE OUT bestimmt die Lautstärke des rückseitigen DI-OUTs, Mit MASTER
wird die Gesamtlautstärke des Amp geregelt. Ein Fussschalter zum stummschalten (außer Tuner Out) des Amps kann vorderseitig angeschlossen werden.
Markbass war m.E. eine der ersten Amp-Schmieden, die eine Mikroprozessor-gesteuerte
Überwachung und Steuerung der Röhren eingesetzt hat. Mittlerweile scheint sich dieses Konzept immer mehr durchzusetzen (man vergleiche die "Automatic BIAS"-Schaltung der neuen Ampeg Bassman
Reihe). Für "Röhrenpuristen" natürlich ein Unding, sie kann jedoch sehr hilfreich sein. Dazu später mehr.
Etwas ungewohnt: Der Standby-Schalter ist hier nur ein simpler kleiner Drucktaster und kein
schwer einrastender Kipp- oder Wippschalter...
Die Rückseite des Amps wirkt ebenso aufgeräumt wie die Vorderseite:
Im Einzelnen:
Die Lautstärke des rückseitig vorhandenen DI OUTs wird über den
vorderseitigen LINE OUT Regler bestimmt (s.o.), ein Wippschalter kann zum Groundlift betätigt werden. Der Abgriff des DI OUT kann wahlweise vor (Pre EQ) oder hinter (Post EQ) dem Equalizer
erfolgen. Für den seriellen Effektweg stehen jeweils ein Klinkenanschluss für den Send Effect und für den Return Effect zur Verfügung.
Mit dem dreifach-Kippschalter DISPLAY FUNCTION kann die Anzeige des vorderseitigen Displays des BIAS-Kontrollsystems geändert
werden.
Zum Anschluss von Boxen werden hier SpeakonCombo-Buchsen verwendet. Zu beachten ist jedoch,
dass die mit "4/8 Ohm" bezeichnete Buchse NUR für den Anschluss von einer/mehrerer Boxen mit einer GESAMTimpedanz von 4 oder 8 Ohm verwendet werden darf. Genauso verhält es sich mit der mit "2
Ohm" beschrifteten Buchse. Hier darf die Gesamtimpedanz der angeschlossenen Box/Boxen 2 Ohm nicht unter- bzw. überschreiten. Die beiden Buchsen sind beim Classic 300 nicht wie sonst üblich
parallel verschaltet.
Ein RS-232 Anschluss soll "Fachpersonal" tiefere Einblicke in den Amp bieten...
Microcontrolled Amp Management System
Dieses System überwacht und steuert u.a. die Drehzahl des Gehäuselüfters. Dieser 7 cm Lüfter
läuft zwar permanent, macht sich aber nicht störend bemerkbar. Nach längerem Spiel und somit höherer Temperatur im Innnern des Amps läuft der Lüfter mit deutlich höherer und hörbarer
Drehzahl.
Desweiteren wird überwacht, ob zum Zeitpunkt des Einschaltens des Amps überhaupt Boxen
angeschlossen sind. Jeder sollte wissen, dass Röhrenamps nicht ohne Last laufen sollten, da dies zum "Tod" des Ausgangsübertragers führen könnte. Mit dieser Überwachung soll ein Schaden des Amps
durch ein unbeabsichtigtes Einschalten ohne Last (also ohne angeschlossene Box) vermieden werden. Ich habe keine Angaben gefunden, die Aussagen darüber treffen, was passiert, wenn z.B. während
des Spielens das Speakerkabel (unbeabsichtigt) gezogen wird. Ich habe diese Funktion auch nicht überprüft...
Dieser kleine rückseitige Kippschalter...
...erlaubt die Wahl zwischen drei verschiedenen Display-Anzeigen.
Im NORMAL durchlaufen nach dem Einschalten des Amps folgende Informationen nacheinander
das Display:
Aha, damit haben wir es also zu tun...
OK, die Röhren heizen sich auf...
Die Ruhestromeinstellung der Röhren wird überprüft und
angepasst.
Es kann losgehen, der Amp befindet sich im
Standby-Modus.
Durch Wahl des TEST1-Modus werden im Display die aktuellen Ruhestromwerte
angezeigt:
...während TEST2 Werte für die Anoden-, Gittervor- und Kathodenspannung
anzeigt.
Mit der vorderseitigen Drucktaste "BIAS" kann zwischen
einem High Fidelity und einem Long Life gewählt werden.
Im ersteren Modus werden die Endstufenröhren "heißer" gefahren, was sich
durch ein noch direkteres Ansprechverhalten des Amps bemerkbar macht. Zudem verschiebt sich der Grundsound ein wenig mehr vom Tiefbass- zum Tiefmitten-Mitten Bereich. Im Long Life Modus werden die Endstufenröhren mit weniger Ruhestrom beaufschlagt, wodurch
eine längere Lebensdauer der Endstufenröhren (und somit eine Kostenersparnis) erreicht werden soll.
Die wohl wichtigste Frage: Wie klingt er denn nun?
Kurz und einfach: Gut!
Genauer:
Erstaunlich wenig Rauschen oder gar Brummen ist zu vernehmen. So ziemlich jeder (Röhren-) Amp
rauscht ganz gerne. Der Markbass hingegen ist erstaunlich ruhig und bleibt dies auch beim boosten der Höhen. In EQ-Neutralstellung klingt der Bass unverfälscht und klar, eine kleine Tendenz
Richtung Bass-Betonung ist jedoch zu bemerken.
Der Equalizer ist sehr gut abgestimmt. "Dröhnfrequenzen" lassen sich mit dem LOW-Band gut
bändigen, vom Bässe boosten würde ich jedoch abraten... Die Aufteilung des Mittenbereiches halte ich für sehr sinnvoll, da somit ein m.E. sehr wichtiger Frequenzbereich besser eingestellt werden
kann. Einzig das Höhenband könnte etwas beherzter eingreifen. Hier sind keine sooo großartigen Soundveränderungen mehr möglich.
Der Amp arbeitet erstaunlich entspannt. So richtig "knuspern" kann er nicht, höchstens
im High Fidelity Modus und bei sehr weit aufgerissenem Gain. Ob sich das dann aber noch gut anhört...?
Der Amp ist m.E. eher für die saubere und dynamische Wiedergabe konzipiert. Das kann er jedenfalls sehr gut. Ich habe selten einen Amp erlebt, der neutral eingestellt schon so gut und
unverfälscht klingt. Einen typischen Old School mäßigen Bauchig-breiten Röhrensound sollte man jedoch nicht erwarten. Der Klang des Amps ist eher modern ausgelegt.
Der Masterregler erlaubt recht weite Regelwege. Im Vergleich zu anderen Amps, bei denen
minimalste Drehbewegungen enorme Lautstärkesprünge nach sich ziehen, arbeitet dieser Master recht sanft.
Schade. Würde Markbass den Classic 300 heutzutage auf den Markt bringen
und keinen sooo hohen Preis wie den damaligen verlangen, ich glaube schon, dass der Amp mehr Erfolg haben würde. Der Amp ist im Vergleich zu anderen Vollröhren recht leicht, bietet eine moderne
Röhrenüberwachung und klingt auch noch richtig gut.